Aceron

Aceron fand den Weg im September 2003 über Umwege zu mir. Ich erfuhr, dass er geschlachtet werden sollte (er lebte bis zu seinem 4. Lebensjahr in einem Zuchtstall in Thüringen, Deutschland) und ließ ihn mir einfach nach Österreich bringen, ohne ihn je gesehen zu haben. Nicht einmal ein Foto geschweige denn irgendwelche Informationen hatte ich bekommen. Aber irgendwas sagte mir, dieses Pferd gehört zu mir.

 

Da natürlich trotz allem klar ist, dass ich jedem nur vom einem Blindkauf abraten kann, war es wohl das Beste, was mir passieren konnte. Er hat mich so vieles gelehrt.

 

Er kam mit dem Transporter am 18. September 2003. Irgendwie hatte ich ihn mir aber so vorgestellt, wie er war. Groß, fast 1,80, cremefärbig mit hellblauen Augen. Ohne Muskeln und zu dürr. Aber was ich mir nicht so vorgestellt hatte, war, dass ich mir ein völlig panisches, traumatisiertes Pferd gekauft hatte. Heute weiss ich nicht, ob ich, wenn ich gewusst hätte, auf was ich mich einlasse, Aceron gekauft hätte...

 

Die erste Zeit über gingen wir durch mehr Tiefs als Hochs. Das beim Transport augenscheinlich gespritzte Pferd entpuppte sich als panisches Tier, das wohl noch keinen guten Umgang mit Menschen hatte. Er ließ sich nicht anfassen (an den Beinen wochenlang gar nicht, für die erste Hufplege musste ich sedieren), rannte mich einfach über den Haufen, wenn er sich erschrak (auch wenn nur Blätter in den Bäumen raschelten). Er hatte Panik vor großen Männern und war im Grunde ein Wildpferd, dass wohl schon einiges hatte mitmachen müssen. Im Nachhinein glaube ich, dass etwas in Deutschland passiert sein muss, anders kann ich es mir einfach nicht erklären.

 

Die ersten Monate kosteten mich viel Schweiß, Nerven und auch Blut. In seiner Angst lief er einige Male über mich drüber, stieß mich um, rammte mir seine Beine irgendwo rein. Ich war wohl Dauergast im Unfallkrankenhaus... Aber resignieren ging nicht, wem sollte ich dieses Pferd verkaufen, keine Chance. Und ausserdem sah ich in diesem Pferd von Anfang an mehr, als andere, die der Meinung waren, dieses Pferd wäre böse. Das war er nie, er hat immer in Panik gehandelt und war dann mehr als zerstört und traurig, wenn er mitansehen musste, dass er mir weh getan hatte. Er stand dann ein paar Meter weiter, zitternd mit hängenden Ohren und hasste sich wohl selbst dafür, dass er wiedermal keinen Ausweg aus seiner Panikattacke gefunden hatte.

 

Viele, viele Monate arbeitete ich mit ihm an der Hand um sein Vertrauen zu erlangen. Als es dann ans Reiten ging, endete mein erstes Aufsitzen in einem Sturz von uns beiden. Aber wir gaben nicht auf. Als das Aufsteigen klappte, war dann das Absteigen ein Problem. Aber wir rauften uns zusammen und er fand in mir eine Vertrauensperson.

 

Als ich mit ihm unter dem Sattel zu arbeiten begann, war ich noch geprägt von meiner Zeit im Dressursport und ritt dementsprechend hart und uneinsichtig. Ich war wohl immer noch der Meinung, dass das Pferd ausführen müsse, was ich ihm ansagte. Doch das hatte sich Aceron ganz anders vorgestellt und machte mir unmissverständlich klar, dass er so mit mir nicht arbeiten wollte. Und so kam ich auf die klassische Reiterei mit feiner Hilfengebung und stellte langsam das Pferd immer mehr in den Mittelpunkt.

 

Aceron war mir der größte Lehrmeister, der mir passieren konnte. In den Jahren, die uns beiden vergönnt waren, wurden wir ein tolles Team. Er arbeitete mit mir gebisslos bis zu hohen Lektionen, wir gingen ins Gelände und machten viele schöne Dinge miteinander. Ich habe noch nie ein Pferd gesehen, dass so spielerisch so einen ausdrucksvollen spanischen Schritt und Trab gelernt hat, wie er. Er hat mir soviel beigebracht.

 

Leider zog sich Aceron als er 7 Jahre alt war durch einen Sturz auf Beton eine Verletzung am Kniegelenk zu. Er hat sich den Knochen angesprengt und das Ganze wurde noch getoppt durch starke Arthrosen. Nach monatelangem Versuch, zu lindern und ihm wenigstens ein schmerzfreies Leben auf einer Koppel zu ermöglichen, ging ich mit ihm den letzten Weg. Wie lebenswert ist es noch für ein Pferd, wenn es nie wieder schmerzfrei laufen kann? Eines Tages entschied er, dass es jetzt Zeit wäre zu gehen. Wir verbrachten noch 2 wunderbare Tage gemeinsam, gingen in den Wald spazieren. Und dann, als es an der Zeit war, ließ er sich gehen und konnte nur noch schwer aus seiner Box kommen. Es war die richtige Entscheidung, ihn gehen zu lassen.

 

Er war ein großartiges Pferd, ein guter Freund, eine alte Seele. Ich danke ihm dafür, dass er zu mir gekommen ist.